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Kooperationsmöglichkeiten zwischen Banken und Fintechs

Die Finanzbranche sieht sich seit Jahren großen Herausforderungen ausgesetzt. Die regulatorischen Anforderungen für Kreditinstitute sind infolge der Finanzkrise im Jahr 2008 sukzessiv angestiegen und erfordern hohe Regulierungskosten. Gleichzeitig drängen neue und digitale Anbieter in den Markt der Finanzdienstleistungen – die sogenannten Fintechs. Mit ihren größtenteils innovativen und kosteneffizienten Geschäftsmodellen werden diese Akteure oft als Wettbewerber klassischer Kreditinstitute angesehen – doch es entwickeln sich zunehmende Möglichkeiten und Tendenzen zum Ausbau von Synergien und Kooperationsmöglichkeiten zwischen Banken und Fintechs. Auf die bisherige Entwicklung sowie mögliche Handlungsempfehlungen sind wir im Rahmen dieses Experteninterviews gemeinsam mit unserer Gastautorin Maximiliane Liebmann eingegangen.

Was sind aus Ihrer Sicht die derzeitigen regulatorischen Herausforderungen für Kreditinstitute?

Die regulatorischen Anforderungen für die Finanzbranche sind in den letzten Jahrzehnten zunehmend verschärft worden und das stellt Finanzdienstleister vor neue Herausforderungen. Die durch die Einführung von Basel III bestehenden Eigenkapitalvorschriften fordern eine anwachsende Kapitalisierung der Banken. Zusätzlich werden mit dem noch nicht in Kraft getretenen Finalisierungspaket von Basel III strengere Grundsätze für die Berechnung der risikogewichteten Aktiva gefordert. Neben den Anforderungen hinsichtlich Qualität und Quantität der Eigenmittel spielen aber auch zunehmend strengere Liquiditätsvorschriften, eine Erhöhung der Anforderungen an die Risikomanagementsysteme und eine organisatorische Verbesserung des Aufsichtsprozesses eine wichtige Rolle.

Wie schätzen Sie die Auswirkung dieser Umstände auf das klassische Kreditgeschäft ein?

Alle Marktteilnehmer, die Aufsicht, die Bankenbranche und Unternehmerverbände untersuchen seit Veröffentlichung des finalen Basel-III-Standards die Folgen und Auswirkungen der regulatorischen Verschärfung auf das Kreditgeschäft. Die Sorge ist, dass die Kreditvergabekapazität sinkt und die Finanzierungskosten für Unternehmen steigen. Die deutsche Bundesbank veröffentlicht im Rahmen des Basel-III-Monitorings des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) seit 2011 eine halbjährliche Analyse. Mit der Studie soll überprüft werden, inwieweit sich die Institute vor Umsetzung des finalen Basel-III-Pakets an die Reformen anpassen und welcher Kapitalbedarf bei einer vollständigen Umsetzung benötigt wird. Die Ergebnisse zum 30. Juni 2019 zeigen, dass die Mindestkapitalanforderungen für deutsche Institute, die international tätig sind, um 26,9% steigen. Banken werden in Zukunft durch veränderte Berechnungsmethoden höhere risikogewichtete Aktiva ermitteln, welche mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Um ihre Kreditvergabekapazität zu erhalten, werden sie demnach mehr Eigenmittel benötigen. Können sie diese zusätzlichen Eigenmittel nicht einbringen, wird voraussichtlich die Kreditvergabekapazität sinken.

Welche Bedeutung haben alternativen Finanzierungen für den Mittelstand?

Für mittelständische Unternehmen verändert sich die Beziehung zur Hausbank seit der zunehmenden Verschärfung der regulatorischen Anforderungen. Da der Kapitalbedarf nicht immer von der Hausbank gedeckt werden kann, versuchen gerade kleinere Unternehmen sich mit Hilfe von alternativen Möglichkeiten zu versorgen. Dazu zählen Förderinstitute, Beteiligungsgesellschaften, Private Equity Gesellschaften und zunehmend auch Fintechs, wie beispielsweise Crowdfunding-Plattformen. Die Angebote der Fintech-Unternehmen decken mittlerweile die gesamte Unternehmensbilanz ab. So kann die Aktivseite über verschiedene Produkte zur Verbesserung des Working Capitals, zur Liquiditätssteuerung sowie über Factoring bedient werden. Für die Passivseite bieten sich über Eigenkapital, Fremdkapital oder Mezzanine-Kapitel entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten an.

Die Notwendigkeit, sich nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten umzusehen, belegt auch die diesjährige Unternehmensbefragung durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Das Ergebnis zeigt, dass Unternehmen mit weniger als 10 Millionen Euro Umsatz deutlich mehr Kreditablehnungen erhalten als größere Unternehmen. So werden 19,1 % der Kreditanfragen für mittelfristige Bankkredite abgelehnt, während bei größeren Unternehmen nur 4,7 % der Kreditanfragen davon betroffen sind. Auch die Finanzierung über Crowdfunding kann in Zukunft eine wachsende Rolle für kleinere Unternehmen einnehmen. Dass Crowdfunding in der Vergangenheit stetig an Bedeutung gewonnen hat, zeigt eine Betrachtung des Marktvolumens im Zeitablauf. Demnach lässt sich beobachten, dass das Marktvolumen im Zeitraum 2016-2019 von 76 Millionen Euro auf über 400 Millionen Euro angewachsen ist und zum Ende des Jahres 2019 bereits die 1 Milliarde-Marke überschritten worden ist. Die Bedeutung alternativer Finanzierungsformen im Mittelstand, hier speziell am Beispiel des Crowdfunding, nimmt demnach zu. Es ist allerdings nicht zu vernachlässigen, dass die Hauptfinanzierungsquelle in Deutschland weiterhin der klassische Bankkredit ist.

Fintechs werden oft als Wettbewerber klassischer Kreditinstitute angesehen – gibt es aus Ihrer Sicht auch Synergien und Kooperationsmöglichkeiten, die geschaffen werden können?

Kooperationen zwischen Banken und Fintechs werden viel diskutiert und das zu Recht. Banken versuchen unter großen Anstrengungen den sich stetig ändernden Kundenanforderungen in einem durch die Digitalisierung geprägten Marktumfeld nachzukommen. Gleichzeitig müssen sie jedoch den bestehenden und zukünftigen Anforderungen der Aufsicht gerecht werden. Das zwingt sie in einen engen Rahmen. Durch eine enge, partnerschaftliche Zusammenarbeit können sie von der Flexibiltät, Unabhängigkeit und dem Know-How für digitale Finanzdienstleistungen und -Produkte von Fintech klar profitieren. Für Fintechs erleichtert die Kooperation den Marktzugang und schafft Vertrauen gegenüber ihren Kunden.

Der Trend zu Kooperationen im Markt wächst stetig an und zwingt auch Banken zum Umdenken im klassischen Konkurrenzdenken. Die Zusammenarbeit mit Fintechs und das bedeutet auch mit möglichen Wettbewerbern, ist für Banken neu und entspricht nicht der häufig konservativ ausgerichteten Geschäftsstrategie. Die zunehmende Vernetzung des Marktes wird jedoch, wie eine Mittelstandsumfrage von PwC belegt, von den Kunden gefordert. Aus der Studie geht hervor, dass Unternehmen die Bank der Zukunft in einer Netzwerker-Rolle sehen. Die Bank soll für Unternehmen ein Netzwerk aus verschiedenen Produkten, Dienstleistungen, Anbietern, Fintechs aber auch anderen Startups zur Verfügung stellen.

Welche Arten von Fintech-Kooperationen sind in den vergangenen Jahren im Finanzsektor entstanden?

In einer jährlichen Untersuchung, dem „PWC Fintech-Kooperationsradar“, werden alle bestehenden Kooperationen im Zeitablauf analysiert. Die aktuelle Studie zeigt, dass 693 Fintech-Banken-Kooperationen in Deutschland existieren. Davon sind 63% auf operativer Basis. Das bedeutet, dass sich Banken nicht finanziell an den Fintechs beteiligen, sondern nur operativ mit ihnen zusammenarbeiten. Die operativen Kooperationen werden hauptsächlich in den Segmenten Investment und Finance geschlossen und zu 85% mit Fintechs, welche ihren Hauptsitz in Deutschland haben. Die fünf größten Banken haben ihre Kooperationsaktivitäten im Jahresvergleich um 22% gesteigert. Wer mit wem kooperiert wird auch vom Finanz-Blog „Payment&Banking“ in regelmäßigen Abständen veröffentlicht. Auch hier zeigt ein Blick auf die erhobenen Daten, dass einige Großbanken und auch regionale Banken Kooperationen schließen und Synergien durch die Zusammenarbeit mit Fintechs verstärken wollen.

Sie haben im Rahmen Ihrer wissenschaftlichen Arbeit ein Kooperationskonzept für klassische Kreditinstitute und Fintechs entwickelt – welche Chancen und Risiken ergeben sich daraus für die beteiligten Akteure?

Das Kooperationskonzept soll die negativen Auswirkungen auf die Kreditvergabe des neuen Basel-III-Pakets auf kleine und mittelständische Unternehmen verringern und gleichzeitig Banken und Fintechs die Möglichkeit eröffnen, weitere Synergiepotenziale zu erkennen und auszuschöpfen. Durch diese Zusammenarbeit sollen Geschäftskunden, die keine oder keine ausreichende Bankfinanzierung erhalten können, an eine Crowdinvesting-Plattform weitergeleitet werden. Somit kann die Bank ihren bestehenden Kunden eine alternative Lösungsmöglichkeit anbieten und das Fintech kann somit gleichzeitig neue Kunden akquirieren. Nachfolgend sind die Kernergebnisse komprimiert dargestellt:

Was sind Ihre Handlungsempfehlungen für Banken und Fintechs im Hinblick auf die kommenden Jahre?

Banken werden sich mit den Folgen der Umsetzung des finalen Basel-III-Pakets auseinandersetzen und strategische Entscheidungen treffen müssen. Ebenso werden Unternehmen im Rahmen der Kreditnachfrage zukünftig immer höhere Anforderungen an die Produktpalette der Kreditinstitute stellen, was die Nachfrage nach innovativen und einfachen Produktlösungen von Fintechs erhöhen wird. Gleichzeitig gilt es für Fintechs die Bedenken hinsichtlich rechtlicher Risiken sowie Image und Reputationsängste der Banken zu untersuchen und im besten Fall zu widerlegen. Die Schlussfolgerung ist, dass Banken ihre Ressourcen, die Zeit und die finanziellen Mittel entsprechend steuern, um Kooperationen zu Fintechs möglich zu machen und Synergien zu schaffen.

 

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Maiximiliane Liebmann profile
Maximiliane Liebmann
Trainee Risikomanagement Unternehmenskunden bei LBBW

Berufsakademie Sachsen Staatliche Studienakademie Leipzig
Bachelor of Arts - Bankwirtschaft, 2017 – 2020